Für Menschen, die Hatespeech erfahren, kann es hilfreich sein, sich anderen Personen anzuvertrauen. Das können Familienmitglieder, Freunde oder Personen aus der Schule sein, z.B. Klassen- oder Vertrauenslehrkräfte. Wenn es im direkten Umfeld keine Person gibt, der man sich anvertrauen möchte, können auch anonymere Möglichkeiten helfen. Im Folgenden haben wir ein paar Möglichkeiten aufgelistet:
- Nummer gegen Kummer: bietet anonym und kostenlos Hilfe, auch bei anderen Sorgen und Problemen; erreichbar unter: 116111.
- HateAid: bietet Hilfe für Betroffene von Hatespeech, vor allem bei Online-Hatespeech; hilft auch beim Melden von Hatespeech, beim Anzeigen und sogar vor Gericht.
- Neue Deutsche Medienmacher: haben einen Helpdesk erstellt, auf dem Tipps zum Umgang mit Hatespeech gegeben werden.
- Polizei: kann bei Hatespeech helfen, v.a. wenn es strafbar ist; gibt dann auch Tipps zur Beweissicherung und Anzeigeerstattung.
Oft hilft es, wenn man sich Hilfe bzw. Unterstützung sucht (hierzu auch: „An wen kann ich mich wenden, wenn ich von Hatespeech betroffen bin?“). Bei Hatespeech in sozialen Medien gibt es meist Möglichkeiten, um Beiträge, Kommentare, Bilder usw. zu melden und Nutzer:innen zu sperren, sodass diese keine Hatespeech mehr ausüben können. Hatespeech kann auch zur Anzeige gebracht werden. Eine weitere Form, um aktiv auf Hatespeech zu reagieren, ist Counterspeech (dt. Gegenrede). Damit kann man sich selbst schützen, aber auch andere. Dabei gibt es verschiedene Formen, die in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich gut geeignet sind. Um eine Aussage nicht einfach unwidersprochen stehen zulassen, kann man sich dagegen positionieren. Wenn man die Möglichkeit hat, kann man die Person, die Hatespeech ausgeübt hat, mit den Aussagen konfrontieren und zur Rede stellen. Zudem kann man falsche Aussagen oder Verallgemeinerungen über eine Gruppe, die mit Hatespeech geäußert werden, entlarven. Manchmal hilft es schon, sich über eine Aussage lustig zu machen und schlagfertig zu reagieren, also zu ironisieren. Etwas anspruchsvoller ist es zu argumentieren, um die Person zu überzeugen, dass die Aussagen falsch sind. Gelingen kann das auch dadurch, dass man gezielt Nachfragen stellt.
Hatespeech ist ein Thema, mit dem grundsätzlich höchstsensibel umgegangen werden muss. Es ist möglich, dass in der Lerngruppe Heranwachsende sind, die entsprechende Gewalterfahrungen gemacht haben, sich aber noch niemandem anvertraut haben bzw. sich niemandem anvertrauen wollen. Dabei sollte die Lehrkraft besonders auf sensible Kommunikation achten, um einer möglichen (Re-)Traumatisierung vorzubeugen. Wichtig ist ein respektvoller Umgang miteinander, das heißt, niemand wird ausgegrenzt, ausgelacht, diffamiert oder herabgesetzt. Wenn die Schüler:innen wissen, dass Hatespeech nicht geduldet wird, fühlen sie sich sicherer und werden auch seltener zu Täter:innen.
Die Thematisierung von Hatespeech kann Gefühle und Erinnerungen triggern, die unangenehm oder schmerzhaft sind. Reagiert ein:e Schüler:in besonders sensibel, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Durch ein Vier-Augen-Gespräch mit dem:der Betroffenen können Sie Informationen sammeln. Sie können ihm:ihr die Möglichkeit geben, sich zu seinen:ihren Gefühlen und Befindlichkeiten zu äußern. Dabei sollten Sie sicherstellen, dass der:die Heranwachsende sich sicher fühlt. Eventuell möchte die Person sich aber nicht äußern. In dem Fall sollte der Person auch ermöglicht werden, sich aus der Gruppensituation zurückzuziehen. Behalten Sie den:die Schüer:in auch im Auge, wenn die Situation vermeintlich vorüber ist. Wenn Sie sich unsicher sind, können Sie auch Rat im Kollegium suchen und/oder den:die betroffene Schüler:in an designierte Ansprechpartner:innen vermitteln wie Vertrauenslehrkräfte oder Schulsozialarbeiter:innen.
In sozialen Gruppen bilden sich Hierarchien und soziale Dynamiken, die vom pädagogischen Schulpersonal nicht immer gänzlich durchschaut werden. Es kann sein, dass die Strukturen der Gruppe/Klasse sehr festgefahren sind – und damit auch die Normen der Gruppe und der Verhaltensdruck, den die einzelnen Jugendlichen empfinden. Sollte dies der Fall sein, kann es sich zunächst als eine große Herausforderung erweisen, eine offene Atmosphäre zu schaffen, in der ehrlich und offen über Normen und eigene Empfindungen gesprochen werden kann. Um ein ehrlicheres Bild von der Situation in der Klasse zu bekommen, kann ein anonymer Fragebogen hilfreich sein. Mehr Infos finden Sie im Manual.
Wenn ein:e Jugendliche:r während des Projekts konkrete Hatespeech- bzw. Gewalterfahrungen schildert, ist das zunächst einmal sehr mutig, da die Erfahrung wahrscheinlich mit negativen Gefühlen verbunden ist. Das gilt es zunächst anzuerkennen. Gleichzeitig erfordert es einen empathischen und respektvollen Umgang mit der Person und ihrer Geschichte. Das heißt vor allem, die Erfahrung nicht zu verharmlosen oder die Person gar zu (re-)traumatisieren, auf der anderen Seite aber auch nicht vorschnell zu dramatisieren und zu massiv zu reagieren. Je nach Schwere der berichteten Gewalt kann jedoch eine pädagogische Intervention oder auch eine Anzeige geboten sein. Ist es ein Vorfall zwischen Schüler:innen, können weitere Informationen gesammelt werden. Zudem ist die Abstimmung mit anderen Schulakteur:innen (z.B. Interventionsteams, Schulsozialarbeiter:innen, Jahrgangs- oder Schulleitung) sinnvoll. Weiterhin sollte die Person nicht unnötig stark in den Fokus genommen werden.
Auch in einem solchen Fall sollten Sie nicht schweigen. Stattdessen können Sie darauf eingehen, was Verschwörungsmythen sind, und der Person die Chance geben, die eigenen Vorstellungen zu reflektieren, indem Sie offene Nachfragen stellen (z.B. woher die Information stammt oder warum es der Person wichtig ist, das zu äußern). Positionieren Sie sich deutlich, werden sie aber nicht belehrend. Bleiben Sie stattdessen respektvoll und zugewandt, sodass Ihr Gegenüber sich ernst genommen und anerkannt fühlt. Portale, die über Fake-News aufklären, z.B. Correctiv (correctiv.org) oder Mimikama (www.mimikama.at), können ebenfalls hilfreich sein. Weitere Informationen finden Sie auch in der Broschüre „Umgang mit Verschwörungsideologien im Unterricht und in der Schule“ der Amadeu Antonio Stiftung (2020): https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2021/04/Broschuere_VI_Schule_2021.pdf
Es ist möglich, dass sich hinter Hatespeech manifeste Einstellungen verbergen, die einen extremistischen Hintergrund haben. Der Extremismus kann dabei verschiedene Formen haben, kann religiös oder politisch motiviert sein, kann in einer entsprechenden Einstellung der Eltern/Erziehungsberechtigten wurzeln oder sich unabhängig von der Familie entwickeln, kann sich offen äußern oder kaum erkennbar sein. Möglichkeiten des Umgangs sollten entsprechend individuell abgewogen werden. Empfohlen wird eine enge Zusammenarbeit im Team. Weiterführende Informationen zum Thema gibt es im Beitrag des europäischen RAN (Radicalisation Awareness Network) „Kinder, die in extremistischen Familien aufwachsen“ (2019): https://ec.europa.eu/home-affairs/system/files/2019-07/ran_yfc_children_growing_upin_extremist_families_24-25_04_2019_de.pdf
Um HateLess möglichst effektiv und nachhaltig an Ihrer Schule zu implementieren, ist es hilfreich, sich in einem Team mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich gegenseitig zu unterstützen. So können Sie mögliche Unsicherheiten besser bewältigen und bei Problemen gemeinsam adäquate Lösungen suchen. Sie können anregen, das Programm Hateless in das Schulprogramm aufzunehmen, sodass jeder Jahrgang daran teilnimmt. Werden Verantwortliche bestimmt, die auf die Einhaltung der festgelegten Ziele achten, kann HateLess besonders effektiv und nachhaltig implementiert werden. Sollte in Modul 5 die Interessengemeinschaft gebildet werden, kann sie als Beratungs- und Unterstützungsgremium dienen.